Skip to main content

Immer weiter Richtung Süden ins „Nowhere“!

28. Dezember 2014

Nach Wochen der stetigen Weiterreise – in Nepal von Trekkingtag zu Trekkingtag, in Indien von einer Ortschaft zur nächsten – war die Zeit reif für Tage der Ruhe und Erholung. Über Zwischenstopps in Mount Abu und Mumbai fanden wir diese für ein Weilchen in kleinen, an der “Konkan Coast” gelegenen Küstendörfern. Sobald jedoch das Wochenende und die Weihnachtsferienzeit anstand war es vorbei mit der Gemütlichkeit: In Cars und Jeeps angereist, strömten Horden von indischen Touristen an Maharastra’s weisse Sandstrände.

Bevor es in die Millionenstadt Mumbai ging, dachten wir, legten wir einen kurzen Stopp in der Natur ein, um die Ruhe vor dem Sturm zu geniessen, wie man so schön sagt. Mount Abu, an einem winzigen See hoch auf dem Berg gelegen, war somit unser Reiseziel. Friedvoll romantisch zeigte sich das Städtchen dann jedoch nur auf den Fotos 😉

068 Mt Abu

…als beliebtes Ausflugs- und Ferienziel bei Indern der Mittelklasse war Mount Abu überfüllt mit Familien, frisch verliebten Pärchen und laut schnatternden Schülern auf Bildungsreise. Kaum angekommen, deckten diese sich mit Wollkappen und Schals ein, die es hier überall an den Bazar-Ständen zu kaufen gab. Nun nicht ganz zu unrecht, oftmals wehte uns eine kalte Biese um die Nase.

072 Mt Abu

Neben der klaren Luft und der in Rajasthan eher ungewöhnlich grünen Natur…

066 Mt Abu

…ist Mount Abu insbesondere auch wegen zwei Tempeln ein grosser Anziehungsmagnet. Begeistert waren wir vom jainistische Delwara Tempel (1031 n. Chr.), welcher diejenigen von Jaisalmer um Längen in den Schatten stellte…grösser und prunkvoller, mit tausenden von Figürchen und symmetrischen Mustern, die Decken, Wände und Säulen dekorierten. Rund 3700 Arbeiter meisselten Marbel-Stein um Marbel-Stein, insgesamt über 15 Jahre lang, bis das ganze Tempelareal in seiner vollen Pracht stand. (Leider war es uns nicht erlaubt, die Kamera in den Tempel mitzunehmen. Deswegen gibt es davon keine Bilder…ein Eindruck von janistischen Tempel erhält Ihr jedoch im Blog über Rajasthan oder in der Fotogalerie.)

Ebenfalls grosse Bekanntheit geniesst ein rund 5000 Jahre alter, in den Felsen gehauener hinduistischer Tempel. 162 Treppen, vorbei an frechen Affen, hochsteigend…

071 Mt Abu

…und schliesslich durch einen kleinen Eingang grabbelnd, erreichten wir die Höhle. Keine filigranen Steinmetz- oder Malarbeiten begeisterten uns hier, sondern die speziell friedvolle, ruhige Energie, die uns umgab. In einer winzigen, ebenfalls in den Felsen gehauenen, rosagestrichenen Nebenhöhle trafen wir auf eine alte Frau…

069 Mt Abu

…die uns das wichtigste hinduistische Mantra “Om Namah Shivaya” beibrachte. Der Hinduismus kennt insgesamt über 330 Millionen Gottheiten. Alle hinduistischen “Deitis” einzeln im Gebet anzusprechen würde wohl Jahre dauern, und eine Gottheit im Gebet auszulassen würde dessen Ärger auf einen ziehen, wie sie uns erklärte. Zum Glück gibt es das oben erwähnte Mantra, welches alle hinduistischen “Deitis” ins Gebet mit einbezieht 😉

Von Mount Abu ging es weiter nach Mumbai. Wo wir uns, ganz unerwartet, vom ersten Tag an sehr wohl fühlten. Nun, von einem Besuch der, seit dem Film “Slumdog Millionaire” weltbekannten, Slums, sahen wir ab. Bei der Ankunft mit dem Zug konnten wir vom Fenster aus einen Eindruck gewinnen…kleine Hüttchen, umgeben von grossen Abfallhäufen, reihten sich kilometerlang aneinander, und bieten so schätzungsweise über einer Million Inder ein zu Hause.

Unsere Unterkunft lag in der “Fort Area”, eines der besseren Quartiere der Stadt. Die von der Kolonialzeit stammenden grossen Viktorianischen und Gotischen Gebäude verleihen diesem Stadtteil sein ganz spezielles Gesicht. Wie beispielsweise der imposante Bahnhof “The Victoria Terminus”, der nach 34 Jahren Bauarbeiten 1887 fertiggestellt wurde. Der VT ist Asiens höchst frequentierteste Zugstation: Täglich pendeln rund 7 Millionen Inder nach Mumbai zur Arbeit. Zu teuer ist das Leben in der Stadt, um hier sesshaft zu sein.

079 Mumbai

Mumbai erlebten wir während unseren Streifzügen dann auch als eine Stadt der Kontraste. Neben Kolonialbauten ragen Wolkenkratzer in die Höhe…

082 Mumbai

…neben Edelboutiquen finden sich tausende von kleinen Bazar- und Marktstände…

077 Mumbai

…neben Gourmetrestaurants unzählige Streetfood-Lokale, wo es für umgerechnet nur gerade 15 Rappen jenste Leckereien zu kaufen gibt…

080 Mumbai

…und neben den herausgeputzten Nobelquartieren Ecken und Fleckchen voller Leben, wo auf den Strassen Heiratsvorbereitungen –und Feste mit Musik und Tanz gefeiert werden. (Im Bild unten wird der angehende Bräutigam am Tag vor seiner Hochzeit zusammen mit seinen kleinen Cousinen und Schwestern mit gelber Farbe eingestrichen. Dies soll Gesundheit und Glück bringen).

078 Mumbai

Nach den Wochen der stetigen Weiterreise war es für uns an der Zeit, einen friedvollen Ort für Tage des “Nichtstun” zu finden. Wie der Autor Pico Ayer in seinem kleinen und sehr empfehlenswerten Büchlein “The Art of Stillness. Adventures in going Nowhere” mit den Worten “…movement makes richest sense when set within a frame of stillness…” schreibt, fehlte uns bis anhin die alles umrahmende Ruhe. Tag um Tag erlebten wir neue ungewohnte Situationen, besuchten wir andere Sehenswürdigkeiten, und hatten so kaum die Möglichkeit, diese setzen zu lassen. Es fehlte an der nötigen Distanz, um die Erfahrungen einordnen zu können – an der Leere in uns und um uns um die Erlebnisse richtig verarbeiten zu können. Wie gerufen lag dann auf dem Weg Richtung Südindien die “Konkan Coast” vor uns, und mit ihr das kleine Küstendörfchen Murud. Dieses verzauberte uns sofort mit seinem ganz eigenen Charme: gemütlich, ursprünglich, ein wenig provinziell mit ehrlichem Charakter. So trafen sich allabendlich die Einheimischen am Strand ein um Kricket zu spielen und an den Wochenenden um Ochsenkarren-Rennen zu veranstalten.

091 Murud

Einziger Haken war, dass das Meer nicht wirklich unserem Schweizer Sauberkeitsstandard stand hielt und so reisten wir vier Tage später einige Kilometer die Küste hinab nach Tarkarli: mit weissen Sandstränden und klarem Meer das Tahiti von Indien, wie die Werbung versprach. Etwas hochgegriffen, wie wir fanden, und auch von Ruhe und Gemütlichkeit war in Tarkarli nicht mehr viel zu spüren. Neben den Weekends verbringen Inder ihre Ferienzeit liebend gerne am Strand. Entsprechend war um Weihnachten der Beach mit in Kleider planschende (Badkleider sucht man bei Indern vergebens), alles und jeden fotografierende (mit grosser Vorliebe auch uns Westler), aufgeregt umherkreischende einheimische Touristen überfüllt…

109 Tarkarli

…zum Glück gab es für wenig Geld einen Scooter zu mieten, mit dem wir die Flucht ergreifen und kleine, menschenleere Buchten rund um Tarkarli entdecken und geniessen konnten.

108 Tarkarli

Und so fanden wir passend zur besinnlichen Weihnachtszeit auch da die nötige Ruhe um aus der bisherigen Reise ein Bild mit Bedeutung malen zu können. Noch ist das Bild nicht fertig gestellt, wage, verschwommen und hat weisse Flecken, doch bereits nimmt es an der einen oder anderen Stelle konkrete Formen und Farben an. Nach dem Motto „Life is teaching you“, würden wir die bisherige Reise wohl am ehesten als eine sehr intensive Lebensschule (be)zeichnen. Eine Lebensschule, die nicht immer sehr zimperlich mit uns Schülern umgeht, uns immer wieder aus unseren Komfortzonen holt, mit ungewohnten Situationen konfrontiert und so einiges von uns abverlangt. Im Gegenzug erhalten wir jedoch jede Menge zurück: unvergessliche Erlebnisse und ein Wachsen, von Tag zu Tag:

1. Nepal lehrte uns Einfachheit, und mit wie wenig wir sehr gut Leben können. Der Luxus, der uns die Schweizer Lebensgewohnheiten bis anhin bot, machte uns blind für diese Simplizität: Ein paar gute funktionelle Kleider und robuste Schuhe um von A nach B zu kommen, eine Feuerstelle um sich zu wärmen und wo das Essen zubereitet wurde und ein sauberes Zimmer mit Bett und warmer Decke um zu schlafen – das reichte völlig aus, um uns zufriedenzustellen.

2. Unsere Reise durch Indien lehrte und lehrt uns verstärkt unserer Intuition zu folgen: Können wir dieser oder jener Person vertrauen? Ist der Preis angemessen oder überrissen? Ist es die Wahrheit, was wir erzählt bekommen? Kein einfaches Unterfangen, sind wir Schweizer andere Umgangsformen gewohnt und begegnen Personen erstmals mit einer Portion Vertrauen. Auch in Indien können wir Vertrauen schenken, keine Frage, doch heisst es hierfür genau hinhören, gründlich beobachten und schliesslich das Bauchgefühl sprechen lassen.

3. Ebenfalls lehren wir hier klar und konkret unsere Vorstellungen zu formulieren, was uns passt und was uns nicht passt. Als Schweizer sind wir es uns gewohnt, nett und höflich nach Eventualitäten und Möglichkeiten zu fragen. Dies bringt uns hier nicht viel weiter, wie wir erkennen mussten. Sobald wir jedoch deutlich die Regeln vorgeben, ausdrücklich kommunizieren was wir möchten und wie wir es möchten, werden unsere Wünsche meistens erfüllt 😉

4. Beim Trekken in Nepal mit den umliegenden 8000er war die innere Ruhe und Ausgeglichenheit fast schon von alleine gegeben. Um einiges schwerer fiel und fällt es uns hier im oft hektischen Indien: Überall laut hupende Autos und Motorräder, die kaum Rücksicht auf Passanten nehmen – Händler und Verkäufer, die einem beim Vorbeigehen nachrufen und auch bei einem „No, thank you!“ nicht lockerlassen – Gruppen von Jugendlichen, die stets ein Foto mit uns Westlern schiessen möchten und Fragen über Fragen haben: Where do you come from? What do you work in Switzerland? How do you like India?, etc. Und so führte uns die Indienreise, zusammen mit interessanten Gesprächen mit hinduistischen Geistlichen und das Schmökern in Büchern (eine äusserst lesenswerte Lektüre zum Thema Meditation ist das Buch vom tibetischen Meditationsmeister Yongey Mingyur Rinpoche mit dem Titel “Buddha und die Wissenschaft vom Glück”) dazu, regelmässiges Meditieren und Yogaübungen zu unseren treuen Reisebegleiter werden zu lassen. Mit erstaunen stellen wir fest, wie wir mit diesen einfachen “Werkzeugen” wieder verstärkt zu unserer inneren Balance zurückfinden.

PS: Den perfekten Ort um die letzten Monate des Nomadenseins weiter zu verdauen und unser inneres Gleichgewicht zu stärken haben wir hier am Om Beach (die Form des Strandes ähnelt dem Om Zeichen) nun endlich gefunden. Ein Ort, wo der Name Programm ist, wie es so scheint: die Bucht ist nur über einen kleinen Pfad zu erreichen, weit ab vom Stadt- und Strassenlärm, nur einige wenige Guesthouses und Restaurants säumen den Strand, tibetische Mönche und Nonnen legen hier ihre Kutten ab um einen Sprung ins kühlende Meer zu wagen und heilige Kühe spazieren gemütlich dem Strand entlang. Mal schauen, wie lange wir hier verweilen werden…

115 Om Beach

Melde dich für den CURAVIDA-Newsletter an und sei immer aktuell informiert über alle neuen Blogeinträge!